08.10.2012

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Loook Notes

Musik Blog

Letzte Aktualisierung: 08.10.2012

Zwei neues Posts:
»Harmonie 04 - Reine Intervalle« und
»Harmonie 05 - Gleichstufige Intervalle«

In diesem Blog möchte ich allen, die es interessiert, verschiedene musikalische Themen nahebringen. Ich habe das Blog gerade erst begonnen, werde aber die Themen weiter fortsetzen. Es würde mich freuen, wenn es Euch gefällt und vielleicht auch ein bisschen musikalisch weiter bringt.


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Harmonie #05 - Gleichstufige Intervalle

Dies ist der zweite Teil des Themas »Intervalle«. Den ersten Teil findest du in Post #04.

Tonleitern


Passen wir nun unsere Dur- und Moll-Tonleitern in das System der reinen Stimmung ein. Bei (J) kannst du an der C-Dur- und C-Moll-Tonleiter sehen, wie groß die einzelnen Schritte von Ton zu Ton in den Tonleitern sind. Es fällt auf, dass die chromatiaschen Halbtonschritte verschwunden sind. Stattdessen gibt es jetzt zwei verschieden große »Ganztöne«. Jeder von ihnen besteht aus dem diatonischen Halbton (der kleinen Sekunde) und einem der beiden chromatischen Halbtöne.




In diesen den Tonleitern gibt es also jetzt:
  • 3 große Ganttöne (GGT, orange): C-D, F-G und A-H;
  • 2 kleine Ganztöne (KGT, grün): D-E und G-A;
  • 2 diatonische Halböne (große Halbtöne, GHT, hellblau): E-F und H-C.
Nur die Reihenfolge ist bei Dur und Moll verschieden.

Rein oder nicht rein, das ist hier die Frage


Das Problem mit der reinen Stimmung fällt auf, wenn man Akkorde spielt. »Akkorde« heißt es, wenn man mehrere Töne zusammen spielt. Unter den Akkorden gibt es besondere, die man »Dreiklänge« nennt. Sie bestehen aus einer großen und einer kleinen Terz, beim C-Dur-Dreiklang ist das C-E-G. Bei C-Moll ist es umgekehrt, hier kommt die kleine Terz zuerst: C-Es-G. Diese Dreiklänge empfinden wir als besonders wohlklingend. Bei (J) sind die Töne der Dreiklänge mit blauen Strichen gekennzeichnet.

Nehmen wir jetzt einmal unser in C-Dur rein gestimmtes Instrument und spielen darauf einen D-Moll-Dreiklang, D-F-A. Bei (K) kannst du sehen, was passiert. Der Grundton ist D (blauer Strich). Wenn wir von da aus unsere Ganz- und Halbtöne nach dem Muster von C-Moll einzeichnen, stimmen die Töne F und A nicht mehr genau (violette Striche). Das ist auch deutlich hörbar – insbesondere bei A, das die Quinte zu D ist –, weil unser Ohr für Quinten besonders empfindlich ist. Auch einige andere Intervalle treffen, von D aus gerechnet, die Töne nicht genau (graue Striche), z.B. ist die große Sekunde von D nach E ein kleiner Ganzton statt ein großer.

Als weiters Beispiel habe ich bei (K) auch den E-Dur-Dreiklang eingetragen. Hier stimmt zwar die Quinte E-H (blau), aber Gis (violett), die große Terz zu E, stimmt ganz und gar nicht. Gis kommt nämlich gar nicht vor (wie wir bereits bei (I) in Post #04 gesehen haben) und wir müssten stattdessen ein As spielen.


Die folgende Akkordfolge enthält mehrere Akkorde, die unrein klingen, darunter auch das angesprochene
D-Moll und E-Dur.


         Akkordfolge mit unreinen Akkorden

Pythagoras und der Wolf


Es gibt noch ein weiteres Problem mit der reinen Stimmung. Bereits Pythagoras (570–510 v.Chr.) kannte es. Er stimmte von C ausgehend alle Quinten rein. Nach 12 Quinten müsste man eingentlich wieder am C ankommen, nur 7 Oktaven höher. Das kannst du am Klavier nachvollziehen: C-G-D-A-E-H-F#-C#-G#-Eb-Bb-F-C.

Aber rechnen wir nach:
12 Quinten: 12 · 702 Cent = 8424 Cent
7 Oktaven:  7 · 1200 Cent = 8400 Cent

Das stimmt also nicht genau. Es gibt einen Unterschied von ca. 24 Cent, den man »pythagoreisches Komma« nennt. Pythagoras' Lösung war, die Quinte zwischen Gis und Es kleiner zu machen, damit es passt. Damit sind 11 von 12 Quinten rein, aber eine klingt so schief, dass man sie »Wolfsquinte« nennt (so wie ein Wolf heult).

         Vergleich reine Quinte und Wolfsquinte

Die temperierte Stimmung


Dass sich nicht alle Akkorde rein spielen lassen, ist ein großes Problem der reinen Stimmung. Man hat viele unterschiedliche Versuche unternommen, diesem Problem Herr zu werden. Ein gewisser Anreas Werckmeister und auch Andere haben im 17. Jahrhundert dazu zahlreiche Vorschläge gemacht. Ziel war es eine Stimmung zu finden, die von der reinen Stimmung nur so weit abweicht, dass unser Ohr sie noch als wohlklingend empfindet. Insbesondere die Quinten, Quarten und Terzen sollten so genau wie möglich sein.

So entwickelten sich die sogenannte »mitteltönige Stimmung«, verschiedene »Werckmeister Stimmungen« und etliche andere. Hier auf deren Details einzugehen würde allerdings den Rahmen sprengen (bei Interesse: Wikipedia). Eines ist ihnen allerdings gemein: Es lassen sich immer nur bestimmte Tonarten (fast) rein spielen oder sie klingen doch nicht rein genug - zumindest für die damaligen Musiker-Ohren.

Andererseits war es damals auch durchaus erwünscht, dass verschiedene Tonarten einen unterschiedlichen Klang-Charakter hatten. Ein C-Dur klang auf dem selben Instrument z.B. ganz anders als ein E-Dur – nicht nur bezüglich der Tonhöhe, sondern weil die Intervalle nicht genau übereinstimmten. Dennoch schränkte es den Rahmen der musikalischen Möglichkeiten stark ein, nicht alle Tonarten auf dem selben Instrument spielen zu können (ohne umzustimmen). So suchten man nach einer anderen Lösung.

Die gleichstufige Stimmung


Diese Lösung gab es bereits. Schon im 16. Jahrhundert wurden Lauten (die Vorläufer der Gitarren) oft so gestimmt, dass alle Halbtöne den gleichen Abstand hatten. Aber erst im 18. Jahrhundert, zu Bachs Zeiten, konnte sich diese Stimmung durchsetzen.

Bach schrieb damals ein Klavierwerk, das aus je einem Stück für jede Dur- und Moll-Tonart besteht: »Das wohltemperierte Klavier«. Diese Stücke ohne Umstimmen auf dem gleichen Instrument zu spielen, war nur möglich, wenn man es gleichstufig stimmte. Obwohl Bach »Das wohltemperierte Klavier« eigentlich gar nicht dafür geschrieben hatte, wird ihm die Popularität und Verbreitung der gleichstufigen Stimmung zugeschrieben. Man weiß aber noch nicht einmal genau, ob Bach wirklich die gleichstufige Stimmung benutzte, denn diese ist nur ein Spezialfall unter den temperierten Stimmungen.

Wie funktioniert die gleichstufige Stimmung denn nun eigentlich? Der Grundgedanke ist, die Oktave einfach in 12 gleiche Halbtöne zu teilen. Damit sind zwar alle Intervalle außer der Oktave nicht mehr rein, aber sie sind nur soviel verstimmt, dass man es tolerieren kann.

Bei (L) ist das im Diagramm veranschaulicht. Hier ist wieder der C-Dur- und C-Moll-Dreiklang blau und violett hervorgehoben. Man sieht, das die Quinte (blau) bis auf 2 Cent genau stimmt. Diese Abweichung ist so gut wie nicht mehr hörbar. Die Abweichung ist bei der Terz allerdings wesentlich größer. So klingt eine Terz in der gleichstufigen Stimmung nicht mehr wirklich rein, sondern man hört eine Schwebung (sh. Post #03). Das nimmt man allerdings dafür in Kauf, dass jetzt alle Tonarten ohne Umstimmen gespielt werden können.

Und nicht nur das! Alle Intervalle klingen überall gleich, egal von welchem Ton aus sie gespielt werden. Erinnern wir uns an das Beispiel (K) im Diagramm: Dort war die Quinte D-A »schief«, die Quinte C-G aber rein.

Und noch etwas: Durch die gleichstufige Stimmung fallen die erhöhten und erniedrigten Töne zusammen. Es gibt also nun keinen Unterschied mehr zwischen Cis und Des, Dis und Es usw. Das E-Dur aus dem Beispiel (K) klingt jetzt also genauso wie das C-Dur – außer dass es höher ist.

Jedes Intervall ist jetzt also überall gleich verstimmt, egal wo man es spielt. Hier noch einmal die Akkordfolge von oben – jetzt in gleichstufiger Stimmung:

         Akkordfolge in gleichstufiger Stimmung

Die Intervalle


Die nachfolgenden Hörbeispiele sind folgendermaßen aufgebaut:
  1. Intervall in reiner Stimmung (Sägezahn-Welle)
  2. Intervall in gleichstufiger Stimmung (Sägezahl-Welle)
  3. Intervall in reiner Stimmung (Klavier-Sound)
  4. Intervall in gleichstufiger Stimmung (Klavier-Sound)
Der Unterschied ist beim Klavier-Sound viel weniger hörbar, weil der Klavierklang selbst bereits Schwebungen besitzt, die die Schwebungen durch die Verstimmung teilweise überdecken.

Prime
Rein, ist ja der selbe Ton.

Kleine Sekunde
Hörbar verstimmt, da sie aber sowieso bereits recht dissonant klingt, fällt das nicht sehr ins Gewicht.

Große Sekunde
Fast rein, nur 4 Cent zu klein, Abweichung kaum hörbar.

Kleine Terz
Hörbar zu klein, aber gerade noch wohlklingend.

Große Terz
Hörbar zu groß, aber gerade noch wohlklingend.

Quarte
Fast rein, nur 2 Cent zu groß, Abweichung höchstens durch Schwebung hörbar.

Tritonus
Klingt sowieso schon so dissonant, dass die Abweichung nicht auffällt.

Quinte
Fast rein, nur 2 Cent zu klein, Abweichung höchstens durch Schwebung hörbar.

Kleine Sexte
Hörbar zu klein, aber gerade noch wohlklingend.

Große Sexte
Hörbar zu groß, aber gerade noch wohlklingend.

Kleine Septime
Fast rein, nur 4 Cent zu groß, Abweichung kaum hörbar.

Große Septime
Hörbar verstimmt, da sie aber sowieso bereits recht dissonant klingt, fällt das nicht sehr ins Gewicht.

Oktave
Rein.

Jedes Interval hat dabei eine typische Schwebung, die durch den Grad der Abweichung von den reinen Obertönen entsteht. Deshalb nennt man die gleichstufige Stimmung auch oft »gleichschwebende Stimmung«.
  • Prime, große Sekunde, Quarte, Quinte, kleine Septime, Oktave:
    keine oder fast keine Schwebung.
  • kleine und große Terz, kleine und große Sexte:
    hörbare, aber durchaus angenehm klingende Schwebung.
  • kleine Sekunde, Tritonus, große Septime:
    starke Schwebung, die man als Reibung empfindet.
Unabhängig davon ordnet man die Intervalle oft nach dem Grad des empfundenen Wohlklingens in die folgenden drei Gruppen (wobei die ersten beiden auch manchmal als »konsonant« zusammengefasst werden):
  • Reine Intervalle:
    Prime, Quarte, Quinte, Oktave
    klingen zwar rein, aber auch irgendwie leer oder hohl.
  • Konsonante Intervalle:
    kleine und große Terz, kleine und große Sexte
    wohlklingend, in gleichstufiger Stimmung mit angenehmer leichter Schwebung.
  • Dissonante Intervalle:
    kleine und große Sekunde, Tritonus, kleine und große Septime
    nicht wohlklingend, sich reibend.
Diese Einteilung ist allerdings sehr subjektiv und von den Hörgewohnheiten abhängig. Es hat z.B. sogar einmal eine Zeit gegeben, wo bereits die Quarte als dissonant angesehen wurde. Andererseits können sich auch Sekunden, Tritonus und Septimen durchaus angenehm anhören, je nach dem, in welchem Zusammenhang sie erklingen. Außerdem kommt es auch auf den Klang des Instruments an, welche Intervalle man als wohlklingend empfindet. Das hängt nämlich auch davon ab, wie obertonreich die Klänge sind (sh. Post #03). Obwohl diese Einteilung sehr gebräuchlich ist, halte ich deshalb persönlich nicht besonders viel davon.

Alles wird leichter


Viele Musiker haben damals große Kritik geübt, als sich die gleichstufige Stimmung verbreitete, denn der Charakter der verschiedenen Tonarten ist dabei verloren gegangen. Bei Gebrauch der reinen Stimmung hörten sich Stücke nämlich ganz anders an, wenn man sie in einer anderen Tonart spielte (manchmal auch fürchterlich schief). Das wird durch die leichten (oder weniger leichten) Verstimmungen verursacht, wenn man andere Tonarten spielt, als die in der das Instrument gestimmt wurde.

In der gleichstufigen Stimmung klingt es dem gegenüber immer gleich, nur die Tonhöhe ändert sich. Die leichte Verstimmung in der gleichstufigen Stimmung ist in jeder Tonart gleich.

Andererseit haben die Vorteile wohl überwogen, insbesondere auch dadurch, dass die erniedrigten und erhöhten Töne bei der gleichstufigen Stimmung zusammen fallen. Das nennt man »enharmonische Verwechslung«. So lassen sich alle Tonarten auf dem selben Instrument spielen. Es sind sogar doppelte Erniedrigungen und Erhöhungen möglich. Das braucht man manchmal in einigen Tonleitern. Man hängt bei dopplter Ernierigung dann noch ein »es« an den Namen an, bei doppelter Erhöhung ein weiteres »is«. (Beachte aber, dass es »Heses« heißt und nicht etwa »Bes« und dass es auch kein »Bis« gibt.)


Alles in allem ist es mit der gleichstufigen Stimmung erheblich leichter, ein Tasteninstrument zu spielen. So ist heute die gleichstufige Stimmung sozusagen Standard.

Intervalle hören


Es ist überaus wichtig für dich zu lernen, Intervalle zu hören und zu bestimmen. Es gibt Menschen, die ein sogenanntes »absolutes Gehör« haben – ungefähr jeder zehnte hat es – und man kann es anscheinend nicht erlernen. Sie können, wenn sie einen Ton hören, sofort sagen, ob es ein C oder ein D ist (wenn sie Musiker sind). Die anderen Menschen benötigen einen Ausgangston, den sie kennen, um anhand dessen einen anderen Ton am Intervall zu bestimmen. Absolutes Gehör hilft natürlich ein bisschen, ist aber keinesfalls notwendig, um Intervalle erkennen zu können. Absolutes Gehör hat übrigens auch nichts damit zu tun, ob man ein guter Musiker ist oder nicht.

Intervalle kann man erlernen. Und um sie zu lernen, merkt man sich am besten zu jedem den Anfang eines bekannten Lieds. Beispielsweise »Alle meine Entchen« für die große Sekunde, »Wachet auf, wachet auf« für die große Terz. Mache dir am besten eine eigene Liste. Spiele ein Intervall auf deinem Instrument, überlege welcher Song oder welche Melodie dir dazu einfällt, und merke es dir in der Liste. Lerne deine Liste auswendig – es sind nur 11 Songs, die Prime und die Oktave brauchst du wohl nicht, die hört man auch so schon. Bestimme außerdem ganz bewusst Intervalle in Liedern und probiere auch, Intervalle zu singen. Nach einiger Zeit wirst du Intervalle dann auch direkt erkennen können.

Zum Schluss hier noch ein Hörbeispiel, das ich im  Internet gefunden habe. Es ist der alte Choral »Wer nur den lieben Gott lässt walten«, einmal in reiner und einmal in gleichstufiger Stimmung gespielt:

   Choral in reiner Stimmung

   Choral in gleichstufiger Stimmung


Mit den bisherigen Posts haben wir die Grundlagen für die Harmonielehre erarbeitet. Manches mag dir vielleicht als nicht besonders wichtig erscheinen und du wartest auf mehr praktische Anwendungen. Ich finde jedoch, dass ein Musiker wissen sollte, was es eigentlich ist, was sie oder er da macht. Darum habe ich in den Grundlagen auch ein bisschen weiter ausgeholt und versucht zu vermitteln, welche Gesetzmäßigkeiten dahinter stehen und wie sich das Ganze entwickelt hat. Einiges davon werden wir nicht mehr weiter vertiefen. So wirst du hier z.B. nicht mehr viel über die reine Stimmung erfahren, denn wir werden uns in Zukunft auf die gleichstufige Stimmung beziehen.

Im nächsten Post werden wir mit Akkorden beginnen. Das kannst du dann auch direkt auf deinem Instrument umsetzen. Physik wird jedenfalls kaum noch ein Thema sein. Um ein bisschen Mathematik werden wir allerdings auch in Zukunft nicht herum kommen. Aber komplizierter als das Tortenteilen wird es nicht mehr.

Harmonie #04 - Reine Intervalle

Kommen wir heute zu den Intervallen. Da dieses Thema recht umfangreich geworden ist, habe ich es in zwei Posts aufgeteilt. Das erste behandelt, von den Obertönen ausgehend, die Entwicklung der reinen Intervalle, das zweite Post die Entwicklung der gleichstufigen Stimmung und deren Bedeutung für die Intervalle.

Unter Intervallen versteht man den Abstand zweier Töne von einander. Sie sind die Grundbausteine der Harmonik. Sie entscheiden darüber wie harmonisch (»konsonant«) oder unharmonisch (»dissonant«) zwei Töne zusammen klingen. Hier in der Abbildung sind die Intervalle auf den Ton C (gelb) bezogen, weil man die Zusammenhänge so am besten sehen kann. Intervalle lassen sich natürlich auch von jedem anderen Ton aus messen.

Stufen der Tonleiter


In der Abbildung erkennt man, woher die Intervalle ihre Namen haben. Sie sind nämlich von den Stufen der Tonleiter hergeleitet. Die Stufen einer Tonleiter kennzeichnet man oft mit römischen Zahlen, so auch hier. Bei der ersten Stufe, der »Prime« (lat. prima: die Erste), ist der Abstand der beiden Töne null (folglich klingen bei der Prime keine zwei verschiedenen Töne zusammen). Die »Sekunde« (lat. secunda, die Zweite) kennzeichnet den Abstand von der ersten zur zweiten Stufe, die »Terz« (lat. tertia: die Dritte) den zur dritten Stufe usw. bis zur »Oktave« (lat. octava, die Achte). Größere Intervalle haben nur noch vereinzelt einen eigenen Namen, wie z.B. »Dezime« (lat. decima: die Zehnte).

Es ist dir wahrscheinlich schon aufgefallen, dass es von manchen Intervallen »große« und »kleine« gibt, z.B. bei der Terz. Bei anderen Intervallen, z.B. der Quinte, gibt es das nicht. Das liegt daran, dass bei Dur- und Moll-Tonleitern die Abstände der Stufen unterschiedlich sind. Bei Dur-Tonleitern gibt es die »große Terz« C–E, bei Moll-Tonleitern die »kleine Terz« C–Es. In einer Dur- oder Moll-Tonleiter kommt jede Stufe nur ein Mal vor, entweder als großes oder als kleines Intervall.

Einige Stufen unterscheiden sich aber nicht zwischen Dur- und Moll-Tonleitern. Das sind die Prime (ist ja logisch), die Quarte, die Quinte und die Oktave. Deshalb gibt es von denen keine große und kleine Version.

Eine Besonderheit stellt der »Tritonus« zwischen der IV. und V. Stufe dar. Er kommt als Tonleiter-Stufe in keiner Dur- und Moll-Tonleiter vor (wohl gemerkt: als Stufe bezogen auf den Grundton, hier C; als Intervall kommt er doch vor, z.B. zwischen F und H der Dur-Tonleiter). Deshalb heißt er auch nicht »kleine Quinte« oder »große Quarte« (Quinte und Quarte gibt es ja schon in der Tonleiter). Je nach musikalischem Zusammenhang nennt man dieses Intervall stattdessen auch »verminderte Quinte« oder »übermäßige Quarte«.

Wie du in der Abbildung siehst, misst man Intervalle nicht nur nach oben, zu den höheren Tönen hin. Man kann natürlich ebenso gut nach unten messen – allerdings stimmen dann die Namen der Intervalle nicht mehr mit den Tonleiterstufen überein.

Halbtonschritte


In der Praxis messen wir die Abstände zweier Töne auch oft in Halbtonschritten – abgekürzt »HT«. Die große Terz C–E hat beispielsweise eine Abstand von 4 Halbtonschritten – nicht etwa 3 HT, wie der Name Terz vermuten lässt – und auch nicht 3 Stufen, denn E ist zwar die 3. Stufe der C-Dur-Tonleiter hat aber einen Abstand von 3–1=2 Stufen. Man kann also vom Namen des Intervalls nicht auf den Abstand in Halbtonschritten schließen, man muss es sich einfach merken.

Eine Oktave hat einen Abstand von 12 Halbtonschritten. Das ist dann auch der Abstand zwischen dem ersten und dem letzten Ton der Tonleiter. Die Halbtonschritt-Größen der verschiedenen Intervalle kannst du der Abbildung entnehmen. Ich möchte nochmals betonen, dass sich die Namen der Intervalle zwar aus den Stufen der Tonleiter entwickelt haben, aber Intervalle nicht an die Stufen einer Tonleiter gebunden sind. Sie lassen sich zwischen beliebigen Tönen messen und angeben.

Was macht das in Cent?


Bei der heute üblichen »gleichstufigen Stimmung« ist jeder Halbtonschritt gleich groß. Manchmal ist ein Halbtonschritt aber eine zu grobe Einteilung. In einer »reinen« Stimmung sind die Halbtonschritte beispielsweise nicht gleich groß und man möchte auch dort die Größe eines Intervalls genau angeben können. Zu diesem Zweck hat man die Einheit »Cent« eingeführt – abgekürzt »¢«, »c« oder »C« (kommt von lat. centum: hundert). Man teilt eine Oktave in genau 1200 Cent. (Eine Okave ist also sozusagen 12 Euro wert.) Damit hat ein Halbton der gleichstufigen Stimmung genau 100 Cent, denn:

1200 Cent : 12 HT = 100 Cent pro HT

Die Abkürzung »HT« verwende ich in diesen Posts nur dann, wenn es sich um einen Halbton der gleichstufigen Stimmung handelt. Bei mir ist also immer 1 HT = 100 Cent. Das ist aber keine allgemeine Festlegung, an die sich alle halten.

Hier nochmals die Intervalle der gleichstufigen Stimmung in tabellarischer Form:

Prime=0 HT=0 Cent
kleine Sekunde=1 HT=100 Cent
große Sekunde=2 HT=200 Cent
kleine Terz=3 HT=300 Cent
große Terz=4 HT=400 Cent
Quarte=5 HT=500 Cent
Tritonus=6 HT=600 Cent
Quinte=7 HT=700 Cent
kleine Sexte=8 HT=800 Cent
große Sexte=9 HT=900 Cent
kleine Septime=10 HT=1000 Cent
große Septime=11 HT=1100 Cent
Oktave=12 HT=1200 Cent

Ich hatte gesagt, dass wir die Physik einstweilen hinter uns lassen. Aber das ist jetzt ja Mathematik und Musik hat viel mit Mathematik zu tun. Wir werden also auch in Zukunft nicht ganz ums Rechnen herum kommen. Hier – für diejenigen, die es interessiert – also noch ein bisschen Mathe:


Wir hatte ja bereits in einem vorausgegangenem Post festgestellt, dass sich die Frequenz eines Tons in einer Okatve genau verdoppelt. Die Oktave entspricht also einem Faktor 2. Möglicherweise interessiert es dich, wie groß 1 HT oder 1 Cent als Faktor eigentlich ist. Das kann man berechnen:   

Wenn man mit 1 beginnt und dies dann 12 Mal mit der Größe eines Halbtonschritts multipliziert, muss 2 rauskommen: eine Oktave. Mathematisch kann man das so ausdrücken:

1 · HT · HT · HT · HT · HT · HT · HT · HT · HT · HT · HT · HT = 2
oder kurz:
HT¹² = 2
Das kann man umformen in
HT = ¹²√2   (12. Wurzel aus 2)
und das ist 1,059463...

1 HT entspricht also einem Faktor von rund 1,06. Das heißt: Um die Frequenz eines Tons zu erhalten, der x Halbtonschritte höher als der ursprünliche Ton ist, muss man die Frequenz des ursprünglichen Tons x Mal mit 1,059463... multiplizieren. Beachte:

Um Halbtöne zu addieren, muss man die Frequenz multiplizieren.
Um Halbtöne zu subtrahieren, muss man die Frequenz dividieren.

Das liegt daran, das Intervalle mathematisch ein sogenanntes »logarithmisches« Maß darstellen. Bei einem »linearen« Maß wird bei gleichen Abständen in einem Diagramm ein bestimmter, immer gleicher Wert dazu addiert oder subtrahiert. Bei einem logarithmischen Maß wird ein Wert bei gleichen Abständen mit einen bestimmten, immer gleichen Betrag multipliziert oder dividiert. 

Für Cent kann man ganz ähnlich rechnen:
1 Cent¹²ºº = 2
1 Cent = ¹²ºº√2 (1200. Wurzel aus 2)
und das ist 1,0005777895...


Warum 12?


Warum teilt man eine Oktave eigentlich in 12 (Halbton)-Schritte? Warum nicht 10 – wäre mit 10 Fingern doch einfacher? Oder 7 – wie die verschiedenen Stufen einer Dur- oder Moll-Tonleiter? (Ja, es sind 7 verschiedene Stufen, denn die 8. entspricht ja wieder der 1. Stufe, nur eine Oktave höher.) Die Antwort darauf hat viel mit den Obertönen zu tun, die wir im letzten Post besprochen haben. Dazu müssen wir auch die geschichtliche Entwicklung betrachten. Vergessen wir also nun erst einmal unsere praktische gleichstufige Stimmung, denn die gibt es noch nicht so lange.

Begonnen hat wahrscheinlich alles, als Menschen festgestellten, dass es sich schön anhört, wenn bestimmte Töne zusammenpassen. Das ist sicher schon viele tausend Jahre her. Wir hatten ja bereits festgestellt, dass sich Obertöne in einem ganzzahligen Verhältnis zu ihrem Grundton befinden und dass es sich um so harmonischer anhört, je einfacher dieses Verhältnis ist. Erinnere dich an das Tortenteilen. Das haben die Menschen damals sicher auch schon bemerkt, auch ohne etwas von den physikalischen Hintergründen zu verstehen.

Entwicklung der Intervalle


Betrachten wir zunächst einmal die Obertöne und ihr Frequenzverhältnis. Im Diagramm sind bei (A) ein (beliebiger) Grundton und seine ersten 9 Obertöne aufgelistet. Sie sind als rote Striche auf der Frequenz-Achse eingezeichnet. Diese umfasst hier etwas mehr als 3 Oktaven (3600 Cent). Die Länge der Striche soll andeuten, dass die Obertöne zu den Höhen hin immer schwächer werden. Die jeweiligen Faktoren bezüglich der Frequenz des Grundtons sind ebenfalls zu jedem Oberton aufgeführt.


Uns interessiert jetzt allerdings nicht das Verhältnis der Obertöne zu ihrem Grundton, sondern viel mehr das Verhältnis der Obertöne untereinander. Wie wir sehen, werden die Obertöne zu den Höhen hin immer dichter. (B) zeigt das jeweilige Frequenz-Verhältnis eines Obertons zu seinem Vorgänger. Es entsteht eine regelmäßige Folge von Brüchen, die mit 2 (einer Oktave) beginnt. Die Brüche werden immer kleiner und kommen der 1 immer näher (erreichen sie aber nie). Diese Frequenz-Verhältnisse sind die Ausgangsbasis für die Intervalle.

Das folgende Diagramm zeigt nur noch 1 Oktave von 0 bis 1200 Cent. Die eben ermittelten Frequenz-Verhältnisse der ersten 5 Obertöne sind bei (C) vom Grundton ausgehend eingetragen (ich habe sie sozusagen zum Grundton hin verschoben). Wir stellen erstaunt fest, dass wir damit die Intervalle Oktave, Quinte, Quarte, große Terz und kleine Terz bestimmt haben.


Die folgenden Hörbeispiele beginnen immer mit dem Grundton (hier C), in den der jeweilige Intervall-Ton dann eingeblendet wird.

   reine Oktave (2:1)
   reine Quinte (3:2)
   reine Quarte (4:3)
   reine große Terz (5:4)
   reine kleine Terz (6:5)

Geht das vielleicht noch weiter so? Leider nein. Bei (D) siehst du, dass die Anbstände immer enger werden – zu eng für eine (normale) Tonleiter. Also überschlagen wir 7/6 und 8/7 (violett) und treffen auf 9/8. Das ist ein ausgezeichneter Kandidat für die große Sekunde, denn er ist vom Grundton exakt genauso weit weg wie die Quinte von der Quarte (orangefarbene Balken). Die kleine Sekunde können wir ganz ähnlich bestimmen: Bei 16/15 hat sie vom Grundton den gleichen Abstand wie die Quarte von der großen Terz (hellblaue Balken).

   überschlagenes reines Intervall (7:6)
   überschlagenes reines Intervall (8:7)
   reine große Sekunde (9:8)
   reine keine Sekunde (16:15)

Jetzt fehlt und nur noch die »rechte Hälfte«. Die passenden Intervalle erhalten wir bei (E), indem wir die bisher bestimmten Intervalle von der Oktave aus nach unten auftragen (grün):
Oktave – kleine Sekunde = große Septime (2/1 : 16/15 = 15/8)
Oktave – große Sekunde = kleine Septime (2/1 : 9/8 = 16/9)
Oktave – kleine Terz = große Sexte (2/1 : 6/5 = 5/3)
Oktave – große Terz = kleine Sexte (2/1 : 5/4 = 8/5)
Oktave - Quarte = Quinte (2/1 : 4/3 = 3/2)

   reine kleine Sexte (8:5)
   reine große Sexte (5:3)
   reine kleine Septime (16:9)
   reine große Septime (15:8)

Wie du siehst haben wir inzwischen den größten Teil der Intervalle mehr oder weniger regelmäßig verteilt. Nur in der Mitte klafft noch eine Lücke. Wenn wir von der Quarte aus eine kleine Sekunde nach oben abtragen und von der Quinte eine kleine Sekunde nach unten, dann treffen sich beide nicht an der gleichen Stelle, wie du bei (F) sehen kannst (blaue Striche und hellblaue Balken). Wenn man nachrechnet, wird man sich für 45/32 entscheiden, denn dieser Abstand kommt bereits vor:
große Septime – Quarte = Tritonus (15/8 : 4/3 = 45/32)

   Tritonus, übermäßige Quarte (45:32)
   Ges, verminderte Quinte (64:45)

Die reine Stimmung


Das Endergebnis kannst du nun bei (G) betrachten. Wir haben die Oktave nun von den Obertönen ausgehend in einigermaßen gleich große Teile zerlegt – und es sind genau 12! Da sind nun unsere 12 Halbtonschritte! Die Abstände der Intervalle sind allerdings nicht alle gleich. Wenn wir genauer hinsehen, stellen wir fest, dass es 3 verschiedene Abstandsgrößen gibt (hellblau, gelb und hellgrün).

»Diatonischer Halbton« (hellblau):
eine kleine Sekunde,
Größe: 16/15 = 111,731... Cent = ca. 112 Cent.

Großer chromatischer Halbton« (gelb):
der Abstand zwischen großer und kleiner Sekunde,
Größe: 9/8 : 16/15 = 135/128 = 92,179... Cent = ca. 92 Cent.

Kleiner chromatischer Halbton« (hellgrün):
der Abstand zwischen großer und kleiner Terz und Sexte,
Größe: 5/4 : 6/5 = 25/24 = 70,672... Cent = ca. 71 Cent.

Dass es genau 12 Schritte sind, ist also nicht von irgend Jemandem bestimmt worden, aber es ist auch kein Zufall. Es liegt im Wesen der Zahlen selbst. Würde man z.B. versuchen, die Oktave mittels der Obertöne in 10 oder 7 einigermaßen gleiche Teile zu teilen, wäre die Verteilung sehr viel unregelmäßiger als mit 12. Die 12 ist dafür eben die optimale Zahl (und sie ist ja auch sonst eine »freundliche« Zahl, weil sie sich so problemlos durch 2, 3, 4 und 6 teilen lässt).

Gehen wir jetzt einen Schritt weiter und verknüpfen die Intervalle mit Tönen. Fangen wir mit C auf der Prime an. Bei (H) siehst du, wie dann die Töne den Intervallen zugeordnet sind. Ich könnte jetzt wieder anmerken: Das geht natürlich auch von jedem anderen Ton aus, aber diesmal stimmt das nicht so ganz, wie wir noch sehen werden.


Bei genauerem Hinsehen können wir feststellen, dass es die »schwarzen Tasten«, also die Halbtöne zwischen C, D und E sowie G, A und H, fast alle als erniedrigte Töne notiert sind, also als Des, Es, As und B. Nur Fis macht die Ausnahme. Was ist denn mit den anderen erhöhten Tönen Cis, Dis, Gis und Ais? Und was mit dem Ges?

Die schwarzen Tasten


Schauen wir nochmals genauer bei (H) ins Diagramm. Der Abstand von Des zu D ist kleiner als der zu C. Das ist auch bei den anderen erniedrigten Tönen so. Beim Fis ist es im Prinzip genau umgekehrt. Daraus können wir schließen, dass Erhöhen und Erniedirgen offensichtlich immer der kleinere Schritt ist (gelb und grün) – nämlich ein chromatischer Halbton, mal ein großer, mal ein kleiner.

Nach diesem Muster können wir jetzt auch die noch fehlenden Töne bestimmen. Bei (I) sind sie statt der bisherigen eingezeichnet (schwarz). Wir sehen jetzt: C# ist nicht das Gleiche wie Db, D# nicht das Gleiche wie Eb usw. Bei der kleinen Sekunde, der kleinen Septime und dem Tritonus fällt es nicht so sehr auf, wenn man z.B. ein Db statt eines C# spielt, weil die beiden Gegenstücke noch relativ nah beieinander sind und diese Intervalle sowieso schon recht disharmonisch klingen. Bei der kleinen Terz und der kleinen Sexte liegen erhöhten Töne D# und G# allerdings ganz woanders als Eb und Ab – und das ist auch deutlich hörbar (vergleiche mit den oben stehenden Hörproben).

   Cis, übermäßige Prime (vergl. kleine Sekunde)
   Dis, übermäßige Sekunde (vergl. kleine Terz)
   Gis, übermäßige Quinte (vergl. kleine Sexte)
   Ais, übermäßige Sexte (vergl. kleine Septime)

Auf einem Tasteninstrument konnte man damals diese Töne nur dann spielen, wenn es umgestimmt wurde. Man sagt, Bach habe für sein Klavier nur 15 Minuten gebraucht. Bei einer Pfeifenorgel kann das allerdings eine tagelange Prozedur werden.

Halten wir fest


Bei einer reinen Stimmung kann man nicht einfach die Tonart wechseln. Eine reine Stimmung ist immer nur für die Tonart rein, auf die sie gestimmt wurde. Dadurch, dass wir hier im Diagramm mit C begonnen haben, haben wir die reine Stimmung in C angewandt. Man kann etliche Instrumente aber auch auf einen beliebigen anderen Ton rein stimmen, z.B. ein Klavier. Bei vielen Blasinstrumenten geht das allerdings nicht, weil viele Töne durch Überblasen erzeugt werden und die dabei erzeugten Obertöne fest vorgegeben sind und nicht gestimmte werden können. Auch deshalb gibt es viele Blasinstrumente in verschiedenen Tonarten z.B. B-Trompeten und D-Trompeten (und noch einige andere).

Vielleicht fragst du dich noch, warum es zwei verschieden große chromatische Halbtöne gibt (gelb und grün) und außerdem einen noch größeren diatonischen Halbton (blau). Das liegt daran, dass die Abstände zwischen den zugrunde liegenden Obertönen eben nicht gleich groß sind. Eigentlich ist es schon erstaunlich, dass es nur drei verschieden große Halbtöne sind.